Vor ein paar Wochen berichtete Raimund Scheder beim Vereinsabend im Salonwagen, dass die Nürnberger Straßenbahnfreunde dem NEF Eisenbahnbilder überlassen wollten, die sie aus Platzgründen nicht behalten wollten.
Auch der NEF hat nur begrenzte Möglichkeiten für die Unterbringung von Bildersammlungen. Zudem war gab es keine genauen Angaben, um was für Bilder es sich handelt und ob sie möglicherweise von NEF-Mitgliedern stammen könnten. Kurzentschlossen bot ich an, bei den Straßenbahnfreunden die Bilder zu sichten, um die Entscheidung einer möglichen Übernahme zu erleichtern.
Ein Besichtigungstermin im Straßenbahnmuseum war schnell vereinbart. Bei den überzähligen Fotos handelte es sich durchwegs um Aufnahmen von Mitgliedern der Straßenbahnfreunde, deren Motive neben Straßenbahnen bei passender Gelegenheit durchaus auch mal die Eisenbahn sein konnte. Von den Straßenbahnfreunden waren die Aufnahmen schon etwas vorsortiert worden, entweder nach Fahrzeugtypen oder nach Themen. Beispielsweise Fotos von einer Reise nach Cuba, oder von der Zugspitzbahn. In einem Karton befanden sich Bilder aus Bayern, sortiert nach Regierungsbezirken, weitere Kartons enthielten Bilder aus Nürnberg und Mittelfranken sowie zum elektrischen Betrieb.
Die meisten Aufnahmen waren um das Jahr 2000 entstanden, es gab auch wenige Fotos aus den 1980er Jahren. Bei den Fotos handelte es sich um ein bunt gemischtes Konvolut, daher habe ich zunächst zwei Kartons mitgenommen.
Da die Fotos aus Nürnberg und Mittelfranken möglicherweise Liebhaber bei den NEF-Mitgliedern finden könnten, habe ich diesen Karton ausgewählt, er steht im Salon-Wagen in Stein allen Mitgliedern offen.
Zugegebenermaßen nicht ganz ohne Eigeninteresse habe ich außerdem den Karton mit den Bildern von elektrischen Triebfahrzeugen mitgenommen. Auch bei diesen Bildern handelte es sich überwiegend um Aufnahmen um das Jahr 2000. Bei der genauen Durchsicht fanden sich darunter überraschenderweise auch in kleinerem Umfang Bilder von Dieselloks und Dampfloks.
Unter den Dampflokbildern erregte eine gelaufene Bildpostkarte aus dem Jahre 1906 mein besonderes Interesse. Sie war am 13.1.1906 geschrieben worden und an einen Lokführer in der Oberpfalz gerichtet. Sie zeigte eine S 2/5 der Bayerischen Staatsbahn, unterhalb des Fotos gibt eine kurze Information zu der abgebildeten Lok, die durch eine handschriftliche Bemerkung ergänzt worden war: „Eine Solche im Maßstab 1:10 habe ich für die Ausstellung in Arbeit“.
Mit der „Ausstellung“ war offensichtlich die letzte Bayerische Landes-Gewerbe-, Industrie- und Kunstausstellung in Nürnberg gemeint, die nach 1882 und 1896 im Jahre 1906 zum letzten Mal stattgefunden hat.
Diese Ausstellungen sollten den technischen Fortschritt in Industrie und Handwerk demonstrieren, insbesondere nachdem sich Nürnberg im 19. Jahrhundert zum industriellen Herzen Bayerns entwickelt hatte. Führende Firmen aus Bleistift-, Elektro-, Spielzeug- und Zweiradindustrie waren (und sind) in der Frankenmetropole ansässig. Das Ausstellungsgelände der ersten beiden Ausstellungen befand sich auf einem Gelände im Stadtteil Maxfeld, auf dem bereits seit 1856 von Georg Zacharias Platner ein englischer Landschaftspark angelegt worden war. Nach der zweiten Ausstellung 1896 entstand auf diesem Gelände der heutige Stadtpark. Die letzte Ausstellung von 1906 wurde dann auf dem Gelände des heutigen Luitpoldhain ausgetragen.
Der Hinweis auf den Bau eines Modells der abgebildeten Lok für die „Ausstellung“ machte mich neugierig. Daher galt es zunächst die Nachricht zu entschlüsseln, dies war nicht nur wegen der Sütterlin-Schrift schwierig, auch Abkürzungen schlichte Rechtschreibfehler machten die Sache knifflig.
Es handelte sich um eine Mitteilung an den Bruder des Absenders, sie war jedoch als relativ belanglos. Doch die Unterschrift „Leonhard“ mit dem Nachnamen vom Bruder ergab den Namen der Person, die etwas mit dem Modellbau dem Modellbau zu tun hatte und möglicherweise kein Unbekannter ist.
Leonhard Lindner war wohl in der K.Bay.St-B. Centralwerkstätte Nürnberg für den Bau des 1:10-Modells der S 2/5 verantwortlich. Leider lässt sich aus den bekannten Unterlagen des DB-Museum nicht mehr feststellen, in welcher Funktion er dort tätig war.
Tatsächlich wurde das Modell im Jahre 1906 fertig gestellt, wie das am Zylinderblock angebrachte Fabrikschild mit der Fabrik-Nr. 11 zeigt. Nach der Ausstellung wurde das Modell der S/2 vom damaligen Verkehrsmuseum unter der Inventar-Nr. 2019.003632 in den Bestand aufgenommen.
Aktuell kann es im EG des DB-Museums in der Dauerausstellung 19. Jahrhundert / Fahrzeugentwicklung besichtigt werden. Es nimmt dort vorrübergehend den Platz des S-3/6-Modells ein, das zurzeit Bestandteil der Sonderausstellung Design & Bahn ist.
Übrigens eine sehr sehenswerte Ausstellung mit einem hochinteressanten Begleitbuch, in dem die Entwicklung der Form- und Farbgebung bei der Eisenbahn seit ihren Anfängen in all ihren Facetten umfassend dargestellt wird.
In Anbetracht der Bedeutung, die diese Bildpostkarte für die nur wenig dokumentierte Historie der weltweit einzigartigen Modellsammlung von 1:10-Modellen im DB-Museum hat, waren sich Raimund Scheder und ich schnell einig, dass dieser Zufallsfund in den Bestand des DB-Museums übergehen sollte. Darüber war der Verantwortliche Teamleiter für die Sammlungen und die Bibliothek, Stefan Ebenfeld sehr erfreut.
Eine interessante Geschichte. Danke für die Mühe, das hier zu veröffentlichen.
Es sind oft ganz kleine Dinge, die den Alltag auflockern. Schön, wie sich hier der Kreis geschlossen hat.