Lange Jahre stand E 03 002 im Spatzenpark in Herrnried, erhalten und gepflegt vom Inhaber des Spatzenparks, Helmut W. Brossmann. Der umtriebige Medienmanager und Eisenbahnfreund erkrankte leider vor über 10 Jahren und verstarb im August 2018. Einige Jahre war das Schicksal der E 03 002 höchst ungewiss, doch gelang es der BayernBahn GmbH / Bayerisches Eisenbahnmuseum im vergangenen Jahr die allererste E 03 zu übernehmen und im Juli 2024 nach Nördlingen zu überführen.
E 03 002 wurde am 11. Februar 1965 in Kassel von Henschel und Siemens als erste Schnellfahrlokomotive der Baureihe E 03 im Rahmen einer Feierstunde offiziell der Deutschen Bundesbahn vorgestellt. Tatsächlich wurde E 03 002 dann erst am 18. Februar 1965 formal ausgeliefert und am 28. Mai 1965 von der DB abgenommen. Erwähnenswert dabei ist der Umstand, daß die E 03 002 hierzu als E 03 001 beschildert war, da diese noch nicht fertiggestellt worden war. Die falsche Nummer behielt sie bis zum 14. Juni 1965, als die „richtige“ E03 001 abgenommen wurde.
E 03 002 wurde, wie ihre drei Schwestermaschinen dem Bw München Hbf zugeteilt und bis zu ihrer Umbeheimatung zum Bw Seelze am 16. Februar 1971 im hochwertigen TEE und F-Zugdienst vornehmlich zwischen München und Hamburg, aber auch zu zahlreichen Meß- und Erprobungsfahrten der BZÄ Minden und München eingesetzt. Mit Ablieferung der Serienlokomotiven der Baureihe 103 konnte der Betriebsdienst auf die die vier Vorserienlokomotiven verzichten und sie wurden fortan vorzugsweise von der Versuchsanstalt Minden/Westf genutzt. Die Beheimatung von 103 002 und 103 003 beim Bw Seelze mag zwar Vorteile im Hinblick auf die Nähe zu Minden/Westf gehabt haben, in diesem Güterzuglok-Betriebswerk blieben die Schnellfahrlokomotiven instandhaltungstechnische Exoten, so daß die Umbeheimatung zum Bw Hamburg Eidelstedt, das auch die Serienlokomotiven der Baureihe 103 betreute, nach nur drei Jahren, am 26.Mai 1974, eigentlich nur konsequent war. 103 003 war auch vom 15. April 1971 bis zum 25. Mai 1974 in Seelze beheimatet , während 103 001 und 103 004 am 01. Juni bzw. 26. Mai 1974 vom Bw München Hbf direkt nach Eidelstedt umbeheimatet wurden.
Zusammen mit ihren drei Schwesterlokomotiven wurden 103 002 nun auch öfters vor Nahverkehrs- und Eilzügen im norddeutschen Raum eingesetzt.
Im November 1985 erlitt sie einen Trafoschaden, der nach siebenmonatiger Reparatur im AW Opladen behoben werden konnte. Ein erneuter Trafoschaden bedeutete dann das endgültige Aus für 103 002: Am 16. November 1986 wurde sie „z“-gestellt. In ihren aktiven 21 Dienstjahren hatte sie eine Laufleistung von etwa 2,2 Mio. km erreicht. Die Ausmusterung wurde schließlich zum 15.12.86 verfügt.
Danach begann eine fast zwanzigjährige Odyssee: Nach einer kurzen Abstellzeit vor der DB Lokführerschule in Troisdorf, wurde sie dem Verkehrsmuseum übereignet und zunächst im Bw Nürnberg Hbf hinterstellt.
Am 25. März 1988 wurde sie nach Lichtenfels überführt und in der Folge gelegentlich auf Ausstellungen gezeigt, so z.B. anlässlich der Einweihung der Neubaustrecke Würzburg – Fulda Ende Mai 1988 im Bw Würzburg.
Ab Juni 1988 wurde sie im Deutschen Dampflok Museum (DDM) in Neuenmarkt-Wirsberg ausgestellt. Da es zu keinen vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Verkehrsmuseum Nürnberg und dem DDM kam, unterblieb von beiden Seiten eine Aufarbeitung und Pflege der 103 002, sodass sich der Zustand der ersten elektrischen Schnellfahrlokomotive der Deutschen Bundesbahn über die Jahre zusehends verschlechterte.
Im Sommer 2005 trennte sich das DDM von der mittlerweile unansehnlich gewordenen 103 002. Das DB Museum veranlasste die Überstellung in sein Fahrzeugdepot Lichtenfels.
Aber sie sollte eine Zukunft haben: Der umtriebige und vermögende Medienunternehmer Helmut W. Brossmann (1960 – 2018) hatte in der Nähe von Herrnried bei Neumarkt/Opf ein ausgedientes Bundeswehrgelände erworben und zu einem Familien-Freizeitpark, dem „Spatzenpark“ umgestaltet. Brossmann war als Manager der Volksmusikgruppen „Kastelruther Spatzen“ und der „Oberkrainer“ , aber auch der “Regensburger Domspatzen” sowie als „Herrchen“ von Schäferhund „Kommissar Rex“ bekannt geworden.
Als begeisterter Eisenbahnfreund wollte er in seinem Spatzenpark auch Lokomotiven zeigen und erwarb im Herbst 2005 103 002 vom DB-Verkehrsmuseum. Im Dezember 2006 sollte noch 103 197 folgen. Auch ein Schienenbus-Beiwagen (998 090) war ausgestellt.
Am 21.12.2005 wurde 103 002 von Lichtenfels auf der Schiene nach Saal/Donau geschleppt, dort auf einen Strassentieflader umgeladen und in den Spatzenpark gebracht.
Auch das Innere der 103 002 befand sich in einem beklagenswerten Zustand, wie die folgenden Bilder von der Bestandsaufnahme am 12. März 2006 zeigen.
Helmut W. Brossmann scheute keine Mühen und Kosten, unterstützt von Mitarbeitern der DB AG und der Herstellerfirmen, innerhalb weniger Monate aus dem heruntergekommenen Wrack ein ansehnliches Ausstellungsstück zu machen.
Bereits am 5. Juni 2006 konnte die aufgearbeitete E 03 002 vorgestellt werden:
Auf diesen Bildern leider nicht erkennbar: Mit E 03 002 blieb auch der einzig existierende Henschel-Verzweigerantrieb, mit der zwei der vier Vorserienlokmotiven ausgerüstet waren, erhalten.
E 03 002 war nicht nur äußerlich aufgearbeitet worden, auch Maschinenraum und Führerstände erstrahlten wie neu.
Helmut W. Brossmann wäre nicht Medienunternehmer gewesen, wenn er die Vorstellung „seiner“ E 03 002 nicht entsprechend in Szene gesetzt hätte. Zu der abendlichen Präsentation der E 03 002 waren neben der Presse auch die zahlreichen Unterstützer und Helfer der Aufarbeitung eingeladen, die großzügig bewirtet wurden.
Soweit so gut, im Dezember 2006 folgte mit 103 197 noch eine Serienlokomotive. „Spatzen-Helmut“ wollte eben noch eine „richtige“ 103 und konnte die entkernte 103 197 günstig erwerben. So machte er sich seine Träume war.
Auch 103 197 wurde mustergültig restauriert. Medienmanager und Eisenbahnliebhaber Brossmann stellt seine 103 197 nach Abschluss der Aufarbeitung im Sommer 2007 vor. (Aufnahme: 120 151)
2010 feierte Helmut W. Brossmann mit zahlreichen Gästen seinen 50sten Geburtstag, natürlich im Spatzenpark. (Aufnahme: 120 151)
Der vielseitige Helmut W. Brossmann konnte nicht nur Hunde managen, Lokomotiven sammeln und bekannte Musiker managen, er konnte auch selber recht ordentlich Musik machen, hier am Akkordeon. (Aufnahme: 120 151)
Leider erkrankte Helmut W. Brossmann vor nun über 10 Jahren schwer und musste sein Engagement für den Spatzenpark deutlich einschränken. Hinzu kam, dass der Spatzenpark an einem recht abgelegenen Standort mit anderen Freizeitparks und deren Attraktionen nicht wirklich konkurrieren konnte. Der Park wurde geschlossen und Helmut W. Brossmann wandte sich einer anderen, wesentlich entspannenderen Leidenschaft zu: Er wurde Schäfer! 1500 Schafe zählte seine Herde auf dem Gelände des nun ehemaligen Spatzenparks.
In dieser Zeit versuchte Helmut W. Brossmann seine beiden 103 über das Auktionshaus Ebay zu verkaufen. Bei einem Startpreis von 199.999,99 Euro wollte das aber nicht so recht gelingen.
Da das bei Ebay doch recht selten vorkommt, dass ganze Lokomotiven zum Verkauf angeboten werden, hier der Screenshot von der damaligen, schon etwas kuriosen Verkaufsanzeige.
103 197 konnte er die Lok Anfang 2016 an die Deutsche Privatbahn verkaufen. Im April 2016 verließ sie Herrnried und wurde auf Straße und Schiene nach Altenbeken überführt. Derzeit befindet sie sich in der Sammlung der Eisenbahnerlebniswelt in Horb.
Der gesundheitliche Zustand von Helmut W. Brossmann verschlechterte sich zunehmend, sodass er auch die Schäferei aufgeben musste. Das Gelände der Spatzenparks verkaufte er an einen großen Schweinezüchter und zog nach Etterzhausen bei Regensburg. Anfang 2018 heiratet er seine langjährige Partnerin Martina. Einige Monate vor seinem 58sten Geburtstag gab er der Mittelbayerischen Zeitung ein Interview, in dem er mit einem gewissen Optimismus in die Zukunft blickte. Leider sollte sich dieser Optimismus nicht erfüllen: Wenige Tage nach seinem 58sten Geburtstag verstarb der Multiunternehmer Helmut W. Brossmann am 28. August 2018.
Mehr über das facettenreiche Leben von Helmut W. Brossmann in einem Nachruf des Donaukuriers vom 30. August 2018.
Wie es mit der zu diesem Zeitpunkt immer noch in Herrnried stehenden E 03 002 weitergehen sollte, war zunächst maximal unklar. Der Zustand der Lok verschlechterte sich zunehmend und eine Perspektive war nicht zu erkennen.
Mitte Juli 2024 wussten die gutinformierten Kreise zu wissen, dass die BayernBahn GmbH die E 03 002 erworben hat. In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 2024 wurde sie per Straßentieflader vom Spatzenpark zum Bahnhof Parsberg transportiert. Hierzu musste noch im Spatzenpark der Haupttransformator ausgebaut werden, da ein Gewicht von 100 t auf der zur Verfügung stehenden Straßeninfrastruktur nicht überschritten werden durfte. In Parsberg wurde der Transformator am Vormittag des 20. Juli wieder eingebaut um für die weitere Überführung auf der Schiene wieder das “richtige” Gewicht zu haben. Von Parsberg nach Nördlingen ins Bayerische Eisenbahnmuseum wurde E 03 002 von V 100 1365 und 362 848 der BayernBahn geschleppt. Die Vorbereitungen für diesen sicherlich nicht alltäglichen Transport erforderte eine minutiöse Planung, die sich über Monate hinzog, aber letzten Endes für einen reibungslosen und pünktlichen Ablauf sorgte.
Für uns Eisenbahnfreunde sicher ein Anlass zur Freude zu wissen, dass E 03 002 sich jetzt in guten Händen befindet und eine gesicherte Zukunft hat.
E 03 002 wird aufgearbeitet und wieder auf Hochglanz poliert anlässlich der Rieser Dampftage vom 15. bis zum 18. August 2024 im Bayerischen Eisenbahnmuseum in Nördlingen https://www.bayerisches-eisenbahnmuseum.de/index.php?lang=de erstmals öffentlich präsentiert.
Die Leistungen der Mitarbeiter des BEM grenzen ans Wunderbare. Herzlichen Dank dafür!!